Verliehen wird die Verdienstmedaille von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid hat die Auszeichnung heute stellvertretend übergeben. Frau Liane Stähle wird für ihr Engagement für das ruandische Dorf Kirinda ausgezeichnet. 2006 gründete sie den Verein „Junge Menschen für Afrika“, der die Lebensbedingungen der Menschen in Kirinda verbessert. Der Verein hat 140 Mitglieder und sitzt in Ober-Ramstadt. Rund 15 Vereinsmitglieder stellen den harten Kern dar, die ehrenamtlich für „Junge Menschen für Afrika“ tätig sind. Um die 90 Projekte in den Bereichen Bildung, Infrastruktur, Landwirtschaft und Tiere wurden mittlerweile in Kirinda durchgeführt.
Ruanda im östlichen Zentralafrika ist gerade mal so groß wie Hessen. Ein Großteil der Bevölkerung lebt dort auf dem Land und ist auf Selbstversorgung angewiesen. Über die Hälfte der Ruander lebt unter der Armutsgrenze. Liane Stähle lebte mit ihrem Mann von 1989 bis 1991 und von 2009 bis 2012 in Ruanda. Während sie dort lebte, hat sie die Armut dort erlebt. Das führte dazu, dass sie 2006 den Verein „Junge Menschen für Afrika“ gründete. Bis heute ist sie dessen erste Vorsitzende. Sein Ziel ist, mehr ruandischen Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen.
Das Recht auf Bildung ist elementar für die Entwicklung und persönliche Entfaltung von Kindern weltweit. Es ist festgeschrieben in der Kinderrechtskonvention, die von praktisch allen Staaten der Welt anerkennt ist. In Ruanda ist das Recht auf Bildung für jedes Kind noch nicht verwirklicht. Zwar ist der Besuch der sechs Jahre dauernden Grundschule für ruandische Kinder kostenlos, aber leider nicht selbstverständlich. Laut dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) gehen etwa 400.000 Kinder gar nicht in die Grundschule – und wenn sie gehen, heißt es nicht, dass sie bleiben. 41 Prozent der Kinder brechen die Grundschule ab.
Ruanda, auch „Land der tausend Hügel“ genannt, ist ein sehr grünes und bergiges Land. Es hat jedoch eine dunkle Vergangenheit. Von April bis Juli 1994 hat Ruanda einen schrecklichen Völkermord erlebt, der als größter Genozid seit dem Holocaust angesehen wird. In weniger als drei Monaten wurden nahezu eine Million Menschen, also jeder Siebter der damaligen Bevölkerung, ermordet. Bis heute ist jede nennenswerte Entwicklungsaktivität vom Völkermord und seinen Auswirkungen geprägt. Die Herausforderungen sind riesig: Der Mangel an sauberem Wasser führt meist zu schlechten sanitären Bedingungen und gesundheitlichen Schäden. Es gibt eine hohe Säuglings- und Kindersterblichkeit, unter anderem durch Mangel- und Fehlernährung.
Liane Stähles Engagement nahm 2003 Fahrt auf. Damals übernahm sie eine Patenschaft an einer Schule in Kirinda, sie zahlte das Schulgeld eines Kindes. Damit war der Grundstein gelegt – für eine dauerhafte Beziehung zu dem Kind und auch zur Schule. In ihren Bekannten – und Freundeskreis überzeugte sie andere, auf diesem Wegruandische Kinder zu unterstützen.
Aus der Patenschaft für ein Kind wurde ein Projekt zur Unterstützung der gesamten Schule in Trägerschaft der presbyterianischen Kirche. Eine Bücherei wurde gebaut, Bücher und Laptops wurden angeschafft. Unter anderem kümmerte sich der Verein um die Sprach- und Fortbildung der Lehrer, als 2008 die offizielle Landessprache Französisch durch Englisch ersetzt wurde. Ein Kindergarten wurde eingerichtet, der Ausbildungslehrgang zur Näherin oder zum Näher sowie die Fachbereiche Bauwesen und Informationstechnologie entstanden.
Das Engagement des Vereins begrenzt sich nicht auf Bildungsprojekte, sondern hat die Verbesserung der Lebensbedingungen zum Ziel: Es wurden Bananenstauden gepflanzt, ein Schulgarten eingerichtet, Ziegen verteilt, neue Wasserquellen gefasst und Leitungssysteme gebaut. Das aktuelle Projekt, das gerade begonnen hat, ist ein Schlafsaal für Mädchen, wofür gerade Spendengelder gesammelt werden.
Heute gilt Ruanda als Musterbeispiel für Fortschritt und Gleichberechtigung in Afrika: Es gibt eine flächendeckende Krankenversicherung, die Wirtschaft wächst, im Parlament sitzen mehr als 60 Prozent Frauen. „27 Jahre nach dem Genozid gilt Ruanda als einer der Hoffnungsträger Afrikas. Dazu tragen Sie durch ihr Engagement bei“, so die Regierungspräsidentin bei der Übergabe der Auszeichnung.