Eine der größten Altlastensanierungsfälle Deutschlands ist die Wohnsiedlung Lampertheim-Neuschloss im Süden Hessens. Hier wurden auf dem ehemaligen Betriebsgelände einer Chemischen Fabrik ab den 1950er Jahre Wohngebäude errichtet. Die Sanierung bedeutete für die Bevölkerung von Beginn an eine große Belastung und stellte auch die Behörden und Sanierungs-Firmen vor große Herausforderungen. Es galt 125 Wohngrundstücke auf einer Fläche von nur acht Hektar durch Bodenaustausch bis mindestens ein Meter Tiefe zu sanieren.
Die Wohnhäuser blieben erhalten und die Bewohner durften für die Dauer der Sanierung in ihren Häusern bleiben. Die Nebengebäude mussten abgerissen, die Bäume gefällt und die Gärten gerodet werden. Durch die enge Besiedlung gab es für die Baufirmen nur kleinteilige Arbeitsräume und kaum Rangiermöglichkeiten für die Transportfahrzeuge und Baugeräte.
Die „Chemische Fabrik Neuschloss“ hat an diesem Standort seit 1827 nicht nur als eine der ersten Chemischen Fabriken in Deutschland Soda fabriziert, sondern später in ihrer 100jährigen Betriebszeit auch Salzsäure, Schwefelsäure, Salpetersäure, Glaubersalz und Kunstdünger. Die hauptsächlich im Boden vorgefundenen Schadstoffe Arsen und Schwermetalle wie Blei und Dioxin waren Bestandteile von Schwefelkiesen, dem Rohstoff für die Schwefelsäureherstellung, das Arsen im Grundwasser entstammt Resten der Prozessabwässer aus der Salzsäurereinigung. Die Produktionsabfälle wurden in mehreren Ablagerungen rund um das Betriebsgelände deponiert, deren markanteste, der seit je her so genannte zehn Meter hohe „Sodabuckel“, nördlich unmittelbar an die Fabrik und die heutige Wohnbebauung grenzt. Die Produktion war bereits 1927 eingestellt worden, die Fabrikanlagen abgerissen und in Form von 155.000 Tonnen Schutt auf dem Gelände, in den verschiedenen Ablagerungsflächen und anderswo abgelagert; das Gelände lag lange Jahre brach, bis es von der Stadt Lampertheim – als neuer Eigentümerin – überplant, parzelliert und zur Bebauung mit Wohnhäusern veräußert wurde. Die Bebauung war vor allem in zwei Phasen erfolgt, Mitte der 50er und in den 80er Jahren.
Der „Fall Neuschloss“ wurde 1989 öffentlich, als der aufgegrabene Kellerboden eines Wohnhauses im Erlenweg durch den Sauerstoffkontakt „ausblühte“, eine aggressive chemische Reaktion von Natriumsulfat. Die Folge waren weitere – das Vorhandensein von Kontaminationen im Untergrund bestätigende - Untersuchungen (auf Veranlassung des Landkreises und der Stadt) unter anderem auf dem Sodabuckel. Auch Blut- und Urin von nahezu 300 Personen aus dem Wohngebiet wurden untersucht, ohne allerdings einen auffälligen Befund zu liefern.
Im Jahr 1990 gründete sich die Bürgerinitiative "Projektbeirat Altlasten Neuschloß" (PAN), die seit damals in die Sanierung und die Sanierungsplanung eingebunden ist.
Im gleichen Jahr übernahm das Regierungspräsidium Darmstadt als zuständige Altlasten – beziehungsweise Bodenschutzbehörde das Verfahren und beauftragte – nachdem Ermittlungen ergeben hatten, dass ein sanierungsverantwortlicher Rechtsnachfolger des letzten Betreibers der Chemischen Fabrik nicht zeitnah würde herangezogen werden können – im Jahr 1991 den Träger der Hessischen Altlastensanierung, die HIM GmbH (HIM-ASG) mit der systematischen Untersuchung des Standortes.
Durchgeführte Untersuchungen auf den Wohngrundstücken über die Mobilität von Blei und Thallium, sowie Oberbodenuntersuchungen auf Dioxine, Furane und Schwermetalle ergaben 1993 einen akuten Sicherungs- und Handlungsbedarf. Zum Schutz der Bevölkerung wurden sämtliche Gartenböden mit Rollrasen und Rindenmulch abgedeckt; die Nutzung der Gartenbrunnen wurde verboten, denn die parallel laufenden Analysen des Grundwassers hatten eine gravierende Verunreinigung mit Arsen ergeben.
Die Jahre 1993 bis 1999 gehörten – nachdem das Land Hessen die entsprechenden finanziellen Mittel bereitgestellt hatte - der historischen Erkundung des gesamten Standortes, sowie der umwelttechnischen Detailuntersuchung und Bestandsaufnahme aller Wohngrundstücke. Auf dieser Datengrundlage gründete sich die Sanierungsplanung. Hinsichtlich der Bodensanierung wurden verschiedene Sanierungsvarianten entwickelt, von denen eine die komplette Umsiedlung der Bevölkerung war. Entschieden hat man sich zuletzt für eine flächendeckende Dekontamination, das heißt genereller Bodenaushub bis in mindestens ein Meter Tiefe (in kleinflächigen Schadenszentren auch bis drei oder vier Meter Tiefe) und dem Einbringen einer Sickerwassersperrschicht in Bereichen mit tiefliegender Belastungen, um Grundwasser vor dem Auswaschen der Schadstoffe durch Niederschlagswasser zu schützen.
Die Grundwassersanierung erfolgt über je zwei Entnahmebrunnen im Schadensherd und an der Fahnenspitze und Dekontamination des entnommenen und im Wesentlichen mit Arsen belasteten Grundwassers über ein Flockungs- und Fällungsverfahren in einer entsprechend ausgelegten Reinigungsanlage.
Mit der Grundwassersanierung (Regelbetrieb) wurde im Jahr 2003 begonnen. Ebenfalls im Jahr 2003 fiel der Startschuss für den Beginn der Bodensanierung; das Sanierungsgebiet wurde in etwa fünf gleich große Sanierungsabschnitte eingeteilt. Mit Hilfe eines Bürgerbüros konnten die geplanten Maßnahmen gut mit den Anwohnern abgestimmt werden. Es gab ständig entsprechende Ansprechpartner für Fragen und Wünsche. Die Bodensanierung wurde in 2011 erfolgreich abgeschlossen. Restarbeiten der Wiederherstellung gab es noch in 2012.
Bei der Grundwassersanierung trat im Lauf der Sanierung eine Stagnation der Arsenkonzentrationen ein. Daher wurde – in Zusammenarbeit mit der Universität Heidelberg – ein neues Verfahren zur Verkürzung der Sanierungsdauer entwickelt. Nach Labor- und Feldversuchen wurden in 2019 die technischen Voraussetzungen für dieses Verfahren geschaffen. In 2020 wurde die neue Anlage in den Regelbetrieb übernommen. Ziel ist es, bis 2027 eine deutliche Reduktion des Schadstoffpools zu erreichen, um die Maßnahme entsprechend abschließen zu können.