Grundwasserproblematik Hessisches Ried
In einem Gebiet wie dem Hessischen Ried mit dichter Besiedlung und andauernder Zuwanderung sind auch heute noch konkurrierende Interessen hinsichtlich der Landnutzung deutlich erkennbar. Zum einen hat der verkehrsgünstig im Rhein-Main-Gebiet gelegene Wirtschaftsstandort Südhessen weiterhin einen zunehmenden Bedarf an Siedlungs- und Naherholungsflächen, zum anderen findet in der rund 1200 Quadratkilometer großen ehemaligen Flussauenlandschaft auch heute noch eine intensive landwirtschaftliche Nutzung mit zunehmender Umstellung auf den Anbau von Sonderkulturen statt. Die großen zusammenhängenden Waldbestände im Ried besitzen zugleich eine wertvolle Schutz- und Erholungsfunktion für den Ballungsraum.
Parallel dazu ist die Bedeutung dieses Gebiets in den letzten Jahrzehnten für die Wasserversorgung des Ballungsraums Rhein-Main gewachsen. Ab 1970 mit Inbetriebnahme mehrere Großwasserwerke folgte eine Reihe von klimatisch extremen Trockenjahren, die den Wasserbedarf - insbesondere für die landwirtschaftliche Beregnung- aber auch den der übrigen Bevölkerung drastisch ansteigen ließ, wodurch in Verbindung mit dem klimatischen Geschehen die Grundwasserstände auf ein extrem niedriges Niveau abfielen.
Insbesondere sind in den Trockenperioden 1971 bis 1976 und 1991/92 durch das Zusammenwirken von Niederschlagsdefiziten und Grundwasserentnahmen bedeutende Absenkungen des Grundwasserspiegels bis zu mehreren Metern zu verzeichnen, da die entnommene Grundwassermenge nicht mehr vollständig durch die natürliche Grundwasserneubildung ersetzt werden konnte. Das Trockenfallen von Feuchtgebieten, Wald, Straßen- und Gebäudeschäden waren die Folge.
Hohe Grundwasserstände im Hessischen Ried wurden im Frühjahr der Jahre 1957, 1983, 1988, 2001, 2003 und 2011 beobachtet. Im April 2001 wurde mit den vielerorts höchsten Grundwasserständen seit 1950 das Maximum dieser Nässeperiode erreicht. Teilweise waren bis zu 60 ha zusammenhängende landwirtschaftlich genutzte Flächen überflutet. Besonders betroffen waren neben ganzjährig unbewirtschaftbaren landwirtschaftlichen Nutzflächen in den Altrhein- und Altneckarschlingen auch Siedlungsbereiche, in denen aus Hunderten von Kellern Grundwasser abgepumpt werden musste. Der überwiegende Teil dieser betroffenen Gebäude ist Ende der 80er/ Anfang der 90er Jahre zu Zeiten niedriger Grundwasserstände errichtet worden, leider zumeist ohne die für diese feuchtigkeitsgeprägte Landschaft erforderliche planerische und bauliche Sorgfalt. Die rege Bautätigkeit in den letzten 2 Jahrzehnten und die Ausweisung von Neubau-Gebieten in tief gelegenen Aue-Bereichen haben mit dem späteren, klimatisch bedingten Wiederanstieg der Grundwasser-Stände nach der Trockenperiode zu den beschriebenen Kellervernässungen geführt. Betroffen waren nicht nur Siedlungsflächen, in ganzen Ortsteilen stand Grundwasser so hoch im Keller, dass es über einen längeren Zeitraum abgepumpt werden musste.
Seit 1989 gibt es im Hessischen Ried eine künstliche Anreicherung des Grundwassers durch Infiltration von aufbereitetem Rheinwasser. Damit wird der Grundwasserstand so gesteuert, dass bestimmte „Richtwerte“ angestrebt werden, die im Grundwasserbewirtschaftungsplan Hessisches Ried vorgegeben sind. Bei hohen Grundwasserständen wird kein Wasser eingeleitet, so dass es durch Infiltration nicht zu Vernässungsproblemen kommt.
Für den Wald, reichen diese Maßnahmen offenbar noch nicht aus. In einer Machbarkeitsstudie wird daher eine Ausweitung der Infiltration in ausgesuchten Waldgebieten untersucht. Auf dieser Grundlage sollen Wege zu einer Verbesserung der Wälder gesucht werden.
Ein Runder Tisch zur Verbesserung der Grundwassersituation im Hessischen Ried, der im März 2012 von der Hessischen Landesregierung einberufen wurde, hat mit unterschiedlichen Interessensgruppierungen und Akteuren Lösungsansätze und Beschlussempfehlungen für eine nachhaltige Verbesserung des Waldzustands ausgearbeitet - seinen Abschlussbericht von April 2015 finden Sie unten bei den Links.
Seit 2017 beginnen die Maßnahmen zur Umsetzung der Ergebnisse des Runden Tisches. Als erste Maßnahme werden mit den betroffenen waldbesitzenden Kommunen Rahmen- und Einzelverträge über waldbauliche Maßnahmen vereinbart, die im gesamten Hessischen Ried vorhandene Waldbestände stabilisieren sollen. Ein Schwerpunkt stellt dabei die Sanierung von naturschutzfachlich bedeutsamen Eichenwäldern dar. Weiterhin soll wissenschaftlich untersucht werden, welche Effekte die temporäre oberflächliche Zuwässerung auf die Optimierung des Bodenwasserhaushalts und die Waldbestände haben kann. Zudem sollen die Optionen für ein Pilotprojekt für eine optimierte Aufspiegelung des Grundwassers im Hessischen Ried im Jägersburger und Gernsheimer Wald vertieft untersucht werden. Vorgabe für das Pilotprojekt ist die Sicherstellung des Vernässungsschutzes für Siedlungs- und Ackerflächen.
Aufgrund der Interaktion, beziehungsweise des Stoffeintrages zwischen den Oberflächengewässern und dem Grundwasser im Hessischen Ried wurde im Rahmen eines Projektes des Hessischen Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie (HLNUG) in Zusammenarbeit mit dem Regierungspräsidium Darmstadt im Jahr 2015 eine Spurenstoffstudie durchgeführt. Darauf aufbauend wurde eine Strategie zur Vermeidung und Verminderung des Spurenstoffeintrags in die Gewässer des Rieds (Spurenstoffstrategie Hessisches Ried) entwickelt. Ziel dieser Strategie ist, durch geeignete Maßnahmen die stoffliche Belastung der Fließgewässer im Hessischen Ried zu vermindern sowie die Grundwasservorkommen langfristig für die Trinkwassernutzung zu schützen. Weitere Informationen zu der Spurenstoffstudie und zu der Spurenstoffstrategie finden Sie unter den folgenden Links. Eine vom HLNUG in Zusammenarbeit mit dem Regierungspräsidium Darmstadt erarbeitete Planungshilfe zur Bewertung der Eingriffsmöglichkeiten in Gewässersohlen soll dazu beitragen, eine Gefährdung der Grundwasserqualität bei naturnahen Umgestaltungen von Gewässern (Renaturierungsmaßnahmen) zu vermeiden (vgl. Karten zum Download).
Grundwasserbewirtschaftung hessische Untermainebene
Die Grundwasserressourcen in der hessischen Untermainebene dienen der Trink- und Brauchwasserversorgung für fast eine halbe Millionen Menschen, Industrie und Gewerbe sowie der Landwirtschaft. Im Gegensatz zu der Grundwasserbewirtschaftung im Hessischen Ried, welche aufgrund der Infiltration aufbereiteten Rheinwassers nicht nur die Kompensation von Wasserentnahmen, sondern auch von klimatisch nachteiligen Entwicklungen ermöglicht, gibt es in der Untermainebene keine Möglichkeit der aktiven Kompensation von Entwicklungen des Grundwasserdargebotes. Aufgrund der bestehenden Nutzungen ist der Grundwasserkörper in der Untermainebene allerdings bereits stark ausgelastet. Die Auswirkungen der bisherigen sowie möglichen künftigen klimatischen Entwicklungen stellen, gekoppelt mit der Bevölkerungsentwicklung im Rhein-Main-Gebiet, neue Herausforderungen an die Grundwasserbewirtschaftung durch die Wasserbehörde dar.
Für eine auch in der Zukunft nachhaltig ausgerichtete Grundwasserbewirtschaftung wurde daher eine durch das RP Darmstadt in Auftrag gegebene Studie erarbeitet, welche der Behörde, den Kommunen sowie den Wasserversorgern als Planungsgrundlage zur Verfügung steht. Die Studie ermittelt das gesamte verfügbare Grundwasserdargebot in der Region unter Berücksichtigung der derzeitigen Gewinnungsstrukturen und klimatischen Einflussfaktoren (Trockenperioden, klimawandelbedingte Einschränkungen). Des Weiteren werden Grundwasserstände in dem intensiv genutzten Teil des Grundwasserkörpers festgelegt, welche nicht unterschritten werden sollen. Die Vorgaben dienen der Einhaltung des nutzbaren Grundwasserdargebotes und damit dem Schutz grundwasserabhängiger Landökosysteme.
Ähnlich wie im Hessischen Ried sind auch in der Untermainebene aufgrund der intensiven Flächennutzung Gefährdungspotenziale für qualitative Einschränkungen des Wassers vorhanden. Daher wurden ebenfalls Betrachtungen zu möglichen qualitativen Belastungen durchgeführt, woraus sich Erkenntnisse hinsichtlich der erforderlichen Vermeidung und Minimierung problematischer Substanzen ableiten lassen.
Die Erkenntnisse aus der Studie zur Grundwasserbewirtschaftung in der Untermainebene fließen in die künftigen wasserrechtlichen Verfahren ein und können den Wasserversorgungsunternehmen und Kommunen in der Region als Orientierungshilfe für die zukünftige Sicherstellung der Wasserversorgung und hierfür erforderliche Maßnahmen (z.B. Wassersparmaßnahmen, Fremdbezüge und Leitungsverbünde) dienen.