Darmstadt. Dass diese Fülle an Leben nicht selbstverständlich, sondern stark gefährdet ist, ist leider genauso zutreffend wie bekannt. Beim Regierungspräsidium Darmstadt sind verschiedene Dezernate für den Natur- und Artenschutz zuständig, tragen so zum Erhalt der Biodiversität bei und sorgen für den Schutz von freilebenden sowie die Überwachung des Handels mit geschützten Tier- und Pflanzenarten.
Auch in Hessen gibt es interessante Fakten über die Vielfalt der Arten. Den Anfang machen die „frühen Vögel“ im Tierreich bzw. die frühen Schmetterlinge. Wer sich schon einmal gefragt hat, wie diese fragilen Schönheiten es schaffen, so früh im Jahr unterwegs zu sein: Tagpfauenauge und Kleiner Fuchs zum Beispiel überwintern als erwachsener Schmetterling an geschützten Orten. Das bringt ihnen einen Vorteil gegenüber anderen Faltern, die erst später im Jahr schlüpfen.
Besonders hart im Nehmen ist der Zitronenfalter, der sogar wenige Stunden nach Nachtfrösten umherflattern kann. Er überwintert fast ungeschützt im Freien, etwa in Baumspalten oder Efeudickicht, sogar an der Unterseite von Blättern, getarnt durch seine grünlich-gelbe Farbe. Sein Geheimnis ist eine Art eingebautes Frostschutzmittel. So übersteht er Temperaturen bis zu minus 20 Grad und es reichen schon erste wärmende Sonnenstrahlen, um ihn zu erwecken.
Weiter geht es mit anderen wichtigen Bestäubern: Wildbienen. In Deutschland kommen mehr als 500 wildlebende Bienen- und Hummelarten vor, manche mit faszinierenden Angewohnheiten. Die meisten Wildbienen bauen ihre Nester in den Boden, andere in Nischen oder in Pflanzenstängel. Eine Besonderheit sind dabei Blattschneider-Bienen. Wie ihr Name schon sagt, schneiden sie mit ihren Mundwerkzeugen ovale bis kreisrunde Stücke aus Blättern verschiedener Pflanzen, rollen sie zusammen und tragen sie im Flug zu ihren Niströhren, um damit die Brutkammern für ihre Eier auszupolstern.
Ebenfalls kurios sind Schneckenhaus-Bienen, die leere Schneckenhäuser als Brutraum nutzen. Sie legen nicht einfach nur ihre Eier in die Häuschen ab, sie sammeln zudem kleine Steinchen, mit denen das Häuschen verschlossen wird. Danach transportieren sie Pflanzenstiele und -halme zum Nest, um es darunter zu verstecken. Es wurden schon Exemplare beobachtet, die Pflanzenteile bis zu zehn Zentimeter Länge zum Nest geflogen haben. Sehr beeindruckend für so ein kleines Lebewesen.
Eine Besonderheit bei der Brutpflege zeigt die Geburtshelferkröte. Diese mit nur 5,5 Zentimeter relativ kleine Amphibienart nutzt viele Gewässer als Laichplatz, u.a. in Steinbrüchen, Tongruben, auf militärischen Übungsplätzen oder auch im Siedlungsbereich in Gärten oder Freihöfen. Kurios bei ihr: Nach der Paarung trägt das Männchen die befruchteten Eier als Paket um die Hinterbeine gewickelt mit sich herum, bis die Larven schlüpfen und ins Wasser abgesetzt werden. So wird der Laich vor gefräßigen Fischen bewahrt, bis er groß genug ist, vor Feinden entkommen zu können.
Auch manche Fische zeigen erstaunliche Eigenschaften, wie zum Beispiel die Äsche. Ihren lateinischen Namen „Thymallus thymallus“ trägt sie, weil sie nach Thymian duftet. Oder wer weiß schon, dass der Schlammpeitzger, ein in schlammigem Boden stehender und sehr langsam fließendem Gewässer lebender Fisch, durch seinen Hintern atmen kann? Diese Darmatmung unterstützt die Kiemenatmung so gut, dass er auch sehr sauerstoffarme Gewässer besiedeln kann.
Ein wahrer Winzling im Schneckenreich ist die Rhönquell-Schnecke. Mit zwei Millimetern ist sie nicht mal halb so groß wie ein Stecknadelkopf. Noch besonderer ist, dass sie weltweit nur im Länderdreieck Hessen, Thüringen und Bayern, u.a. im Vogelsberg, vorkommt und hier wiederum nur an sehr wenigen Standorten. Die winzigen Schnecken sind an gleichmäßig kaltes und unbelastetes Quellwasser angewiesen. Solche Standorte sind inzwischen sehr selten geworden.
Nicht die schnellsten, aber nicht weniger faszinierend sind Schnecken. Viele Arten, darunter die heimische Weinbergschnecke, sind zwittrig, also besitzen beide Geschlechtermerkmale. Deren Paarung kann bis zu 20 Stunden dauern. Dabei beschießen sich beide Partner mit hormongetränkten, etwa zehn Millimeter langen „Liebespfeilen“ aus Kalk, um das Geschlecht und diejenige Schnecke zu bestimmen, die schlussendlich die Eier ablegt.
Wenngleich sehr verschieden, so haben diese Arten eines gemeinsam: sie sind in ihrem Bestand gefährdet. Insgesamt stehen mehr als 150.000 Arten in Deutschland auf der Roten Liste – mehr als 42.100 davon gelten als vom Aussterben bedroht. Um den Artenschwund zu stoppen, kann jeder und jede mit aktiven Entscheidungen im Alltag dazu beitragen, Lebensräume und Arten zu schützen. So etwa mit Blick auf offizielle Gütesiegel für Waren und Leistungen, die sich für nachhaltige, natur- und tierverträgliche Bewirtschaftung einsetzen. Ob im Supermarkt, bei der Ernährung, der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Rad und im eigenen Garten bzw. auf dem Balkon naturnah zu gärtnern: All dies sind kleine Entscheidungen, die Großes bewirken können.